Unter Büchern

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Sonntag, 17. April 2016

Jhumpa Lahiri: Einmal im Leben.

Einmal im Leben.
Copyright: Cornelia Conrad
Einmal im Leben?
WAS einmal im Leben?
Sich verlieben?
Den Richtigen finden?
Ankommen?
Gesehen werden?
Die Erzählung von Jhumpa Lahiri lässt mich nicht los.
Es werden uns zwei Kinder gezeigt, die sehr unterschiedlich sind. Das einzige, was die Beiden verbindet: sie sind Kinder bengalischer Einwanderer, die in den USA leben. Ihre Eltern waren einmal sehr befreundet – aber wohl eher, weil sie aus dem gleichen Land stammten, als daß sie große Gemeinsamkeiten hätten: Hemas Eltern sind sehr konservativ und etwas kleinbürgerlich. In ihrem Badezimmer stehen Avon-Fläschchen (!), Hemas Vater trägt eine Strickweste überm Hemd, ihre Mutter trägt nie einen Rock („das fand sie unschicklich“). Kaushiks Eltern dagegen sind Weltbürger. Die selbstverständlich Englisch reden. Und abends ihren Johnnie Walker trinken (zum Entsetzen von Hemas Eltern). Kaushiks Vater trägt immer Anzug und Krawatte, seine Mutter kauft gern in teuren Boutiquen ein. Sie haben   ihr inneres Ghetto längst verlassen.
Jetzt sind die  Kinder der beiden Paare beinah unter Zwang  dazu verdonnert, unter einem Dach zu leben.  Kaushiks Eltern haben  eine Zeit lang  in Indien gelebt. Jetzt sind sie zurück in Massachusetts  und bitten  Hemas Eltern,  vorübergehend bei ihnen wohnen zu dürfen, bis sie wieder ein eigenes Haus gefunden   haben.

Die sechsjährige Hema verliebt sich sofort, gegen ihren erklärten Willen (denn sie soll ihm ihr Kinderzimmer überlassen!), in Kaushik. Kaushik ist neun Jahre alt, ein scheuer, introvertierter Junge, der niemanden an sich heranläßt. Und deshalb auch die schmachtende Hema gar nicht bemerkt.
Als Kaushiks Eltern endlich ein angemessenes Haus gefunden haben, ist ihre ehemalige Verbindung zu Hemas Eltern vollends auseinandergefallen. Die beiden Paare haben sich nichts mehr zu sagen.
Und Kaushik? Der wird später ein berühmter Kriegsfotograf und lebt mal hier, mal dort, unverbindlich, einzelgängerisch, unbehaust.
Und Hema? Sie  hat studiert und ist  jetzt kurz davor, eine arrangierte Vernunftehe einzugehen. Deshalb will sie noch einmal die große Freiheit erleben und reist nach Rom. Dort trifft sie durch Zufall Kaushik wieder – und es beginnt (endlich!) eine stürmische Beziehung zwischen den Beiden; erst nur im Bett, aber nach und nach verlieben sie sich ineinander. Reden über gestern und heute. Und ganz vorsichtig auch über ein morgen.
So. Das ist jetzt EIN Erzählstrang gewesen. Der wichtigste. Nämlich die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten.
Aber es gibt noch etliche andere: übers Fremdsein. Über die Zerrissenheit, in zwei unterschiedlichen Kulturen zu leben. Übers schwierige Ankommen im (richtigen?) Leben.
Wer komprimierte Erzählweise schätzt, wird mit diesem Buch glücklich. Und es nicht vergessen, denn es hat eine suggestive Magie, der man sich nicht entziehen kann.

Es lohnt sich sehr, die Autorin zu entdecken. Sie beherrscht die Kunst der Andeutung meisterhaft. Mit einem Wort, mit einem Halbsatz, skizziert sie so atmosphärisch genau einen Menschen, daß man ihn lebhaft vor sich sieht.
Lahiri lebt in USA und hat den booker price bekommen.
Und der seltsame Titel beschäftigt mich noch immer...

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