Unter Büchern

Unter Büchern

Donnerstag, 20. August 2015

Lily Brett: Chuzpe


Copyright: Cornelia Conrad
Ich besuchte eine Freundin. Da sie einen Bücherhaushalt hat, nahm ich nichts zu lesen mit, denn ich verließ mich auf die Fülle ihrer Regale.
Nach einem Tag voller gesprochener Worte brauchte ich abends noch welche zum Lesen.
Sie drückte mir dieses Buch in die Hand – und ich wußte: wenn ihr das gefallen hat, dann gefällt es mir auch. Ich fing an zu lesen, lieh es mir aus, las zu Hause weiter – und am Ende des Tags war ich fertig, klappte das Buch zu, glückselig über solchen Lesegenuß. Drückte es meinem Liebsten in die Hand: hier, lies.
Und ging an mein Bücherregal, um zu sehen, ob ich von der Autorin noch was anderes hätte. Da traf mich der Schlag – da steht doch tatsächlich (seit Jahren! Ungelesen!)
Chuzpe
von Lily Brett.
Und deshalb sind Empfehlungen so wichtig!

Ruth ist eine recht zwanghafte Frau mittleren Alters, die in New York lebt. Sie liebt Wörter, liebt es, sie hin- und herzuschieben. Deshalb hat sie eine Firma gegründet, in der sie Auftragsbriefe schreibt und Glückwunschkarten mit an-sprechenden Texten zu allen möglichen Gelegenheiten entwirft und vertreibt. Damit ist sie sehr erfolgreich. Auch beim Achten auf ihre Linie ist sie erfolgreich – sie verzichtet auf alles, was gut schmeckt, denn das hat zu viele Kalorien. Sie ist ein Workaholic und ein Kontrollfreak.
Als ihr 87jähriger Vater Edek von Australien nach New York zieht, um ihr näher zu sein, stellt er ihre Firma auf den Kopf. Und wenn er nicht so hinreißend liebenswürdig wäre, ginge er Ruth bald auf den Wecker. Aber sie liebt ihn und läßt ihn gewähren. Tonnen von Papier, Kisten voller Kulis, ein Staubsauger mit Navigationssystem werden geliefert, weil Edek irgendwo Sonderangebote entdeckt hat.

Donnerstag, 6. August 2015

Oliver Storz: Die Freibadclique

Copyright: Cornelia Conrad
"Ich weiß noch: das Licht. Diffus,dunstig, sonnenlos, hellgrau-flach, eine glatte  Flanellhimmelsdecke, durch deren Gewebe die
die Hitze heruntergepresst wurde auf Fleisch, Gras undWasser."
Da sitzen sie im Freibad auf dem sommerheißen Steinmäuerchen und schmachten Lore hinterher: Zungenkuss, Bubu, Hosenmacher, Knuffke und der Ich-Erzähler. Es ist Nachmittag, im Schwimmbecken kreischen und juchzen Kinder. Über ihnen "eine langsam zuwachsende Lärmschneise, die ein Düsenjäger in den Himmel gerissen hatte." Aber Lore im roten Badeanzug beachtet die 15jährigen Bengel nicht, sie ist vier Jahre älter – also Lichtjahre entfernt.
Es ist der Sommer 1944. Die Jungs der Freibadclique interessieren sich nicht für den Krieg, sie interessieren sich mehr dafür, wie sie in Filme kommen, die nicht jugendfrei sind und für Feindsender, in denen sie Duke Ellington, Benny Goodman und Glenn Miller hören können. Sie sind cool, sie haben ein freches Mundwerk, sie philosophieren schnoddrig über das, was sie bewegt: Mädels, Schule schwänzen, hin und wieder auch die Knallchargen in Berlin; Gefühle werden in Halbstarkenmanier übersprungen. Trotzdem haben alle vier hinter ihrer scheinbaren Lässigkeit eine zarte und verletzliche Seele, in der die Angst kauert. Denn sie wollen leben. Allen voran Knuffke, der Berliner Junge, der in der schwäbischen Kleinstadt gelandet ist und der reifer und weiter ist als die anderen drei, weil er als Flüchtlingskind ohne Eltern überleben muß und will. "Bleib übrig!"