Unter Büchern

Unter Büchern

Freitag, 19. Juni 2015

Grégoire Delacourt: Alle meine Wünsche

Copyright: Cornelia Conrad
"Die Begierde zerstört alles, was ihr in den Weg kommt".
Das ist ein bezauberndes, federleichtes Buch - mit ganz viel Niveau und mit ganz viel Futter für unsern Kopf. Man liest es an einem Sommerabend – aber das, was es bietet, mäaandert noch lange durch unsere Gedanken...
Was würden wir tun, wenn wir im Lotto eine Million gewännen?
Oder sogar18 Millionen?
Jocelyne, die Heldin dieses Romans, tut ganz bestimmt nicht das, was man normalerweise erwartet – aber da bin ich schon  mittendrin in dem klugen Buch, das mir auch beim zweiten Lesen gut gefallen hat:
Diese Jocelyne ist seit vielen Jahren verheiratet. Die Ehe ist abgenutzt, man hat sich nicht mehr so viel zu sagen, die Träume haben sich verflüchtigt, aber dennoch: Jocelyne liebt ihren Mann. Meistens. Die Kinder sind aus dem Haus, der Vater lebt nach einem Schlaganfall nur noch in Gegenwarten, die jeweils sechs Minuten dauern, danach "geht der Zähler der Erinnerung wieder auf null". Von dem Satz in ihrem Tagebuch aus Schulzeiten ist schon lange keine Rede mehr: "Ich möchte gern die Chance haben, über mein Leben zu entscheiden".
Ihr Lebensinhalt ist ihr kleiner Kurzwarenladen. 

Donnerstag, 11. Juni 2015

Fred Uhlman: Der wiedergefundene Freund

Copyright: Cornelia Conrad
Ich weiß: Klassiker haben es schwer. Weil wir in der Schule gelernt haben, daß Klassiker zu lesen Arbeit ist? Dabei gibt es so großartige, lesbare Geschichten, die Klassiker geworden sind. Weil sie immer weiter gültig sind in ihren Aussagen. Ich spreche nicht von Goethe oder Schiller, ich spreche von Trouvaillen, von kleinen Perlen im Heuhaufen, die es so lohnt, sie zu finden. Wie zum Beispiel eben diese, für die ich heute eine Lanze brechen will.
Denn ich wünsche mir, daß auch Ihr dieses große Buch kennen- und dann mit Sicherheit lieben lernt.

"Der wiedergefundene Freund" von 1971 ist eine Erzählung, 116 Seiten lang, in der jedes Wort sitzt. Gemeißelte Sätze. Ein anderer Autor hätte für diese Geschichte viele hundert Seiten gebraucht, viele, viele Wörter und – das wage ich zu behaupten – hätte (deshalb? trotzdem?) nicht diese Eindringlichkeit erreicht. Fred Uhlman dagegen hat in seiner Beschränkung aufs Wesentliche, aufs Not-Wendige, ein kleines dichtes Meisterwerk geschrieben. Über eine Freundschaft.
Die Geschichte handelt von Hans Schwarz, einem 16jähigen Jungen, der schüchtern und einsam ist.